Wie der Blitz

Flash Duration Analysis – Abbrenndauer von Aufsteckblitzen

Als „Bewegung einfrieren“ bezeichnet man die Technik, ein bewegtes Motiv als Momentaufnahme darzustellen: Die Wassertropfen hängen in der Luft, der Turner schwebt über dem Gerät, die Speichen des Rennrades scheinen still zu stehen. Ist eine entsprechend kurze Verschlusszeit aus irgendeinem Grund nicht möglich, so kann dafür auch ein Blitz zum Einsatz kommen. Aber wie lange brennt ein Speedlite eigentlich?

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Federvieh beim Start

Aufgabe

Um ein Motiv „einzufrieren“ kommen zwei Techniken in Frage:

a) Verwendung einer sehr kurzen Verschlusszeit, z.B. 1/2000 oder 1/4000. In der Zeit, während der der Sensor belichtet wird, bewegt sich das Motiv nicht signifikant weiter und wird daher scharf abgebildet.
Nachteil: Für solch kurze Belichtungszeiten muß das Motiv sehr gut ausgeleuchtet sein. Kommt ein Blitz zum Einsatz, muß dieser auf High Speed Sync (HSS) eingestellt sein, was seine Leistung beschränkt.

b) Eine deutlich längere Verschlusszeit, z.B. 1/250, wird mit einem Speedlite kombiniert. Die Verschlusszeit ist auf die Umgebung ausgelegt, nicht auf das Motiv. Dank der längeren Belichtung wird die Umgebung hell genug abgebildet, der Blitz beleuchtet das Motiv. Da der Blitz zwar hell aber sehr kurz ist, wird das Motiv scharf.
Vorteil: Die gesamte Leistung des Blitzes kann ausgeschöpft werden, HSS ist nicht erforderlich.
Nachteil: Ist der Blitz nicht die einzige Lichtquelle, die auf das Motiv fällt, kann das Motiv unscharf werden. Zudem muß der Blitz auch wirklich kurz genug sein, damit das Motiv nicht „verwischt“.

Wie lange aber dauert nun ein typischer Blitzimpuls?

Technik

Ein Speedlite ist keine Glühbirne. Eine Glühbirne kann „gedimmt“, d.h. in der Helligkeit geregelt werden.

Ein Speedlite dagegen kann prinzipiell nur mit voller Helligkeit leuchten, „ganz oder gar nicht“. Um die Lichtmenge eines Blitzimpulses zu bestimmen, kann deswegen nur seine Dauer verändert werden. Wird eine hohe Lichtleistung gewünscht, brennt der Blitz damit länger als bei einer niedrigen Einstellung.

(Beispiel Shanny SN600SC: Lichtabgabe bei 1/1, 1/2, 1/4, 1/8, 1/16, 1/32, 1/64, 1/128 Leistung. Die maximale Helligkeit bleibt unverändert, aber die Brenndauer variiert.)

Für den vorliegenden Anwendungsfall ist das ein Problem: Es wird eine hohe Leistung benötigt, weil der Blitz die einzige Lichtquelle sein soll, die das Motiv ausleuchtet. Gleichzeitig wird die Abbrennzeit des Speedlites aber immer länger, je höher die Leistungseinstellung ist und bei schnell bewegten Motiven steigt die Gefahr einer unscharfen Abbildung.

Messung

Die Lichtabgabe eines Speedlites steigt zunächst schnell an, bevor sie asymptotisch wieder abfällt. Bis der Blitz ganz erloschen ist vergeht relativ viel Zeit, allerdings ist die Helligkeit in der letzten Phase vor dem Ende kaum noch der Rede wert. Spricht man von Abbrennzeit, so versteht man darunter deshalb nicht die Dauer des Lichtimpulses über alles, sondern nur die Zeit, bis die Lichtabgabe unter einen bestimmten Schwellwert abgesunken ist:

t0.5 Die Zeit, nach der die Helligkeit auf 50% des maximal erreichten Wertes gesunken ist. Wird auch als „effektive Blitzdauer“ („effective flash duration time“) bezeichnet.
t0.1 Die Zeit, nach der die Helligkeit auf 10% des maximal erreichten Wertes gesunken ist. Wird auch als „totale Blitzdauer“ („total flash duration time“) bezeichnet.

Die Messpunkte t0.1 und t0.5 während eines typischen Blitzimpulses (Quelle: Sekonic Blog)

(Vgl. hierzu auch Sekonic Blog: http://blog.sekonic.com/2017/05/11/demystifying-flash-duration/)

Vergleich

Um einen Überblick über die Anatomie eines Blitzimpuls zu erlangen, wurden insgesamt elf Exemplare von sieben verschiedenen Speedlites vermessen. Jede mögliche Leistungsstufe wurde mindestens einmal ausgelöst und in 70 cm Abstand mit einem Belichtungsmesser Sekonic L-858D aufgenommen. Der Prüfling war dabei jeweils auf die höchstmögliche Zoom-Stufe eingestellt. Die absolute Leistung wurde nicht weiter beachtet, die Leistungsstufen von 1/1 bis 1/128 wurden direkt gegenübergestellt:

Flash Duration Analysis: Messwerte aller getesteten Speedlites (jeweils nur ein Exemplar je Modell)

Leistung

Wichtig ist, was die Zahlen nicht aussagen: Die einzelnen Speedlites sind mit unterschiedlicher Leistung spezifiziert. Die Einstellung 1/1 (volle Leistung) bedeutet also je nach Modell mehr (z.B. Godox TT685 mit GN 60) oder weniger (Canon 430 EX II mit GN 43) Licht. Wenn insgesamt mehr Licht abgegeben wird, liegt es nahe, daß die Abgabe auch länger dauert. Anhand dieser Messwerte lässt sich also nicht beurteilen, ob ein Blitz „besser“ (= schneller) ist als ein zweiter – bei gleicher Leistungseinstellung könnte der „Langsamere“ auch einfach heller gewesen sein als der andere.

Canon 430 EX II GN 43 (Zoom 105 mm, ISO 100)
Godox AD200 Pro (Fresnel) GN 52 (Zoom 35 mm, ISO 100)
Godox AD200 Pro (Bare Bulb) GN 60 (standard reflector 28 mm, ISO 100)
Godox TT685C GN 60 (Zoom 200 mm, ISO 100)
Yongnuo YN568 EX II GN 58 (Zoom 105 mm, ISO 100)
Yongnuo YN685C GN 60 (Zoom 200 mm, ISO 100)
Shanny SN600SC GN 62 (Zoom 200 mm, ISO 100)

Leistungsklasse (Guide Number) der verwendeten Speedlites lt. Datenblatt

Streuung

Mehrere Exemplare eines einzigen Modells/Herstellers wurden zwar gemessen, sind im obigen Diagramm aber nicht separat aufgeführt. Die Unterschiede sind kaum relevant:

Flash Duration Analysis: Vergleich zweier Exemplare jeweils eines Fabrikats

Lediglich bei einem der Paare waren überhaupt Unterschiede feststellbar: Die beiden Exemplare des Shanny SN600SC unterschieden sich immerhin messbar. Die anderen Paare waren so ähnlich, daß ihre Linien im o.g. Diagramm kaum zu unterscheiden sind (z.B. die beiden Canon 430 EX II, die beiden Kurven ganz unten.)

Beim Ausreisser Shanny SN600SC beträgt die Differenz bei voller Leistung gut 500 µs – in der Praxis ist das aber auch nur der Unterschied zwischen 1/300 und 1/350.

Fazit

  1. Ein Blitz dauert länger als man denkt. Steht das Speedlite auf voller Leistung, so entspricht dies bereits einer Verschlusszeit von etwa 1/300. Für sich bewegende Motive ist das nicht viel.
  2. Reduziert man die Blitzleistung nur auf die nächste Stufe (von 1/1 auf 1/2), so erreicht man bereits etwa 1/1000, weit brauchbarer für schnelle Motive. Falls hier die Lichtmenge dann nicht mehr für eine korrekte Belichtung ausreicht, sollte man lieber ein zweites Speedlite hinzunehmen, anstatt die Leistung des ersten zu erhöhen.
  3. Mehrere Exemplare eines bestimmten Speedlite-Typs unterscheiden sich in der Abbrennzeit praktisch nicht. Die Kontrolle obliegt rein der Steuerungs-Software, und diese ist innerhalb einer Serie identisch. Zwischen verschiedenen Firmware-Versionen könnte dagegen ein Unterschied bestehen.
  4. Verschiedene Modelle bzw. Hersteller von Speedlites unterscheiden sich messbar, aber kaum praxisrelevant. Bei voller Leistung benötigt bspw. der Yongnuo YN685 etwa 3,7ms, der Godox dagegen nur 2,3 ms, obwohl beide mit GN 60 spezifiziert sind. Das ist zwar immerhin der Unterschied zwischen 1/270 und 1/430, aber für schnell bewegte Motive dauert beides zu lange. Reduziert man die Leistung auf 1/2, so bleibt nur noch eine Differenz von 1/980 ggü. 1/1280 übrig. Im Einzelfall kann das tatsächlich den Ausschlag geben, aber die Situation müsste schon genau dazu passen. „Reserve“ ist in beiden Fällen nicht mehr drin.
  5. Vergleicht man zwei unterschiedliche Speedlites, so muß unbedingt auch die abgegebene Lichtmenge berücksichtigt werden. Daß Speedlite A doppelt so schnell ist wie Speedlite B bedeutet nichts, wenn Speedlite B doppelt so hell ist (und ich bei B deswegen die Einstellung reduzieren kann, was die Abbrenndauer wiederum verkürzt.) Dies (die abgegebene Lichtleistung in Summe) zu betrachten könnte Gegenstand eines kommenden Vergleichs sein.

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