Eine Fehlersuche mit Reikan FoCal
… oder warum auch das beste Messgerät immer noch Fehler macht
Wer misst, misst Mist.
(alte Analogtechniker-Weisheit)
Wir sind es heute gewohnt, einen Wert beliebig genau messen zu können. Liefert uns ein Messgerät ein Ergebnis mit drei Nachkommastellen, so mögen wir gerne glauben, daß dieser Meßwert tatsächlich auf drei Nachkommastellen genau der Wirklichkeit entspricht. Häufig ist das aber nicht der Fall, und selbst wenn, ist immer noch nicht sicher, ob wir überhaupt das richtige gemessen haben.
Als ich dieser Tage ein neues Objektiv einweihte, interessierte mich, wie sich die Schärfe mit der gewählten Blende verändert. Üblicherweise sind Objektive weit-offen (Blendenöffnung groß, z.B. f2.8) etwas schlechter, verbessern sich mit kleiner werdender Blendenöffnung, liefern ihren optimalen Wert meist in der Gegend von f5.6 oder f8, bevor sie dann wieder schlechter werden, weil darüber Beugungsunschärfe (Diffraction) einsetzt.
Der Test
Eine Messung meines Objektivs (mit Reikan FoCal) lieferte aber dieses Bild:
Der Messung zufolge ist dieses Objektiv am schärfsten bei Blende f9. Weit-offen, bei Blende f2.8, ist die Schärfe sogar noch schlechter als ganz oben bei Blende f32.
Nun gibt es zwei Möglichkeiten:
- Dies ist ein ganz spezielles Objektiv, bei dem das eben so ist.
- Das Objektiv ist kaputt.
… oder natürlich Möglichkeit Nummer drei, mit der Messung stimmt etwas nicht. Aber was könnte das denn sein, die Messwerte sehen doch alle „sauber“ aus: Sie ergeben eine schöne Kurve (keine Ausreisser), der Hochpunkt liegt gut im Bereich von 2350 Punkten QoF (y-Achse) – sieht doch alles gut aus?
Bis auf die Tatsache, daß dieses Ergebnis einfach nicht plausibel ist. Wie funktioniert denn eigentlich die Messung, die wir eben durchlaufen haben lassen?
- Vor dem Test wird exakt auf das Target fokussiert (mithilfe von Kontrast AF oder notfalls auch manuell.)
- Die Software nimmt jetzt für jede Blendenstufe ein Bild auf, beginnend mit der höchsten Blendenstufe (der kleinsten Blendenöffnung, hier f32).
- Für jedes Bild vergleicht die Software den aus der Aufnahme ermittelten Schärfegrad mit dem Referenzwert, der in Schritt 1 bestimmt wurde. Daraus wird abgeleitet, inwieweit die Blende das jeweilige Testbild „verschlechtert“ hat.
Und schon haben wir das Problem: Was passiert, wenn der Referenzwert nicht stimmt? Wenn in Schritt 1 eben nicht exakt fokussiert wurde?
Nochmal
Wiederholen wir die Messung einfach nochmal. Diesmal aber stellen wir sicher, daß der Fokus vor Beginn wirklich ganz genau eingestellt wurde:
Der zweiten Messung zufolge liegt die schärfste Blende nun bei f5.6, und der Abfall bis f2.8 ist nur noch sehr viel moderater bis auf einen Wert von knapp unter QoF 2300 (zuvor bis hinunter auf 1850). Auch die Blendenstufe f2.8 ist demnach noch sehr viel schärfer als das obere Ende bei f32.
Fazit
Das zweite Ergebnis ist plausibel. Es entspricht dem, was wir von allen anderen Objektiven und unserer Erfahrung nach kennen. Wir haben das Ergebnis der ersten Messung abgelehnt, weil uns die Erfahrung sagte, daß das „nicht wahr sein konnte“. Die Software war nicht in der Lage, diese Entscheidung zu treffen – wir schon.
Cave:
Auch das exakteste Messgerät ist dem Wesen nach dumm. Es kann nicht überprüfen, ob wir richtig gemessen haben. Es kann auch nicht überprüfen, ob wir das richtige gemessen haben. Nur der Anwender kann ein Ergebnis interpretieren und beurteilen, ob ein Wert richtig sein kann oder nicht. Ein Messwert für sich alleine kann dies niemals aussagen.