Quick Tip 06: Back Button Focus

„Back Button Focus“ – die Geheimwaffe für flexiblen Autofokus. Was ist das eigentlich, und wann ist es nützlich?

Sitzt man mit anderen Foto-Interessierten zusammen, braucht man nur beiläufig anzumerken, daß man seine Kamera „selbstverständlich auf Back Button Focus umgestellt“ hat, schon schlägt einem bewunderndes Staunen entgegen und man wird ab sofort zu den Profis gezählt. Dabei ist der Hintergrund ganz einfach:

Im Auslieferungszustand ist der Auslöser praktisch aller Kameras auf zwei Funktionen eingestellt. Drückt man ihn halb hinanter, so startet der Autofokus und die Kamera stellt scharf. Drückt man ihn dann ganz durch, wird das Bild aufgenommen.

Mit „Back Button Focus“ trennt man diese zwei Funktionen (AF-start und Bildauslösung) auf zwei Tasten auf. Der Autofokus wird auf eine eigene Taste programmiert, der Auslöser macht nur noch das Bild, egal ob scharf oder nicht. Der Benutzer visiert also sein Motiv an, drückt den Knopf für AF-start um scharfzustellen, und drückt erst dann den Auslöser, um das Bild aufzunehmen.

Warum sollte man das tun?

In der Standardeinstellung startet der Autofokus jedesmal, wenn der Auslöser neu gedrückt wird. Genau das ist aber manchmal gar nicht sinnvoll. Ein Beispiel aus der Sportfotografie, Leichtathlethik:

Der 100 Meter Lauf

Gewünscht wird ein Bild von dem Moment, in dem die Läufer die Zielline überqueren. Nun könnte man die Kamera auf „Servo AF“ schalten und die Läufer damit „verfolgen“, während sie auf die Ziellinie zurennen. Drei Haken:

  1. Es muß streng darauf geachtet werden, das gewählte AF-Feld immer auf dem führenden Läufer zu halten. Verwackelt man das nur kurz, kann die Kamera die Läufer „verlieren“, und bis sich das AF-Tracking wieder gefangen hat, kann der ganze Moment längst vorbei sein.
  2. Weil der führende Läufer zum erfolgreichen Tracking immer unter dem AF-Feld bleiben muß, gibt es kein „verschwenken“. Der Bildausschnitt ist also festgelegt und kann nicht verändert werden, wenn man z.B. ein zusätzliches Detail am Bahnrand hinzunehmen will.
  3. Automatisches AF-Tracking ist immer ein Risiko. Moderne Kameras können auch ein schnelles Ziel immer besser verfolgen, aber es kann immer auch schiefgehen. Springt die Kamera kurz vor der Ziellinie auf einen anderen Fokusgegenstand um, den man gar nicht scharf haben wollte, ist die Aufnahme im Eimer.

Viel entspannter und komfortabler ist dagegen die folgende Vorgehensweise mit „Back Button Fokus“:

  1. Bevor das Rennen gestartet ist, wird in aller Ruhe die Ziellinie auf dem Boden anvisiert. Druck auf AF-Start löst den Autofokus aus, der auf genau diesen Punkt scharfstellt.
  2. Nun ist die Kamera vorbereitet und der Fotograf wartet in aller Ruhe auf den Start des Rennens. Er darf nur seine eigene Position nicht mehr verändern, also nicht einfach einige Meter weiter vor gehen – dann würde der zuvor eingestellte Fokus auf die Ziellinie ja nicht mehr stimmen.
  3. Wurde das Rennen gestartet und die Läufer nähern sich der Ziellinie, drückt der Fotograf nur noch auf den Auslöser. Die Kamera verplempert keine Zeit mehr mit Autofokus, denn dieser wurde ja bereits vorher eingestellt und braucht jetzt nicht nochmal ausgeführt werden. Statt dessen kann die Kamera ihre volle Serienbild-Geschwindigkeit ausspielen und die maximale Anzahl von Bildern von genau dem Moment machen, auf den der Fotograf gewartet hat.

Landschaft

Landschaftsaufnahmen werden meist vom Stativ aus gemacht. Man stellt seine Kamera auf, passt Position und Blickwinkel genau so an, wie es der Künstler in einem fordert – und ganz zum Schluß sollte dann noch fokussiert werden. Aber über dem Hauptmotiv, das jetzt fachgerecht nach zwei-Drittel-Regel in einer Ecke positioniert wurde, liegt dummerweise kein AF-Feld mehr.

Abhilfe mit „Back Button Focus“:

  1. Das Hauptmotiv anvisieren und über AF-start scharfstellen.
  2. Jetzt erst die Kamera auf das Stativ stellen und ausrichten. Die geringen Abweichungen ggü. der vorherigen Handhaltung beim Fokussieren sind bei den in der Landschaftsfotografie üblichen Blendenöffnungen zu vernachässigen.
  3. Kamera auf dem Stativ auslösen. Der vorherige Fokus ist noch eingestellt, es ist also egal, wo die AF-Felder liegen.

„One Shot“ oder „Servo AF“?

„Back Button Focus“ kann auch bei der Auswahl des eingestellten AF-Modus helfen. Stellt man auf „One Shot“, so arbeitet der AF mit bestmöglicher Präzision, aber bewegte Objekte werden nicht verfolgt. Stellt man auf „Servo AF“, so werden zwar bewegte Objekte verfolgt, aber beim anvisieren eines unbewegten Motivs arbeitet der AF laufend weiter, auch wenn der Fotograf eigentlich nur den Bildausschnitt „verschwenken“ wollte.

Statt dessen mit „Back Button Focus“:

  1. Anvisieren des Motivs, Druck auf AF-start: Das Motiv wird scharfgestellt
  2. Knopf AF-start loslassen: Der AF steht still. Jetzt kann der Bildausschnitt beliebig verändert werden, der Fokus bleibt auf das ursprüngliche Motiv eingestellt
  3. Auslöser drücken: Das Bild wird mit dem eingestellten Fokus aufgenommen, egal, wo sich das Motiv im Bildausschnitt jetzt befindet.

Nachteile

Wo vorher nur ein Finger einen Knopf (den Auslöser) drücken mußte, müssen mit „Back Button Focus“ mehrere Finger mehrere Knöpfe oben (Auslöser) und hinten (AF-start) an der Kamera finden und in koordinierter Reihenfolge drücken. Die dazu erforderliche Fingerfertigkeit entsteht durch üben, Stichwort „Muskelgedächtnis“. Für Gelegenheitsknipser ist das Verfahren daher kaum geeignet. Diese werden auch selten in eine Situation geraten, in der sie überhaupt davon profitieren könnten. „Back Button Focus“ eignet sich dagegen hervorragend für den Fotografen, der oft mit seiner Kamera umgeht und in anspruchsvoller Umgebung genau die Bilder produzieren will, die er sich vorgenommen hat. Planung gehört dazu. Dann aber ist „Back Button Focus“ eine wertvolle Technik, die man zumindest einmal ausprobiert haben sollte.

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