Etwa hundert Kilometer nördlich von Reykjavik ragt die Halbinsel Snæfellsnes nach Westen in den Atlantik. An ihrer Spitze liegt der Snæfellsjökull, ein Vulkan, der Jules Verne in seinem Roman „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ als Einstieg in die Unterwelt diente. Bekannt ist die Halbinsel für ihren Abwechslungsreichtum: Auch „Island in Miniatur“ genannt finden sich hier viele Landschaftstypen aus ganz Island auf einem Fleck.
Noch auf dem Weg nach Snæfellsnes lohnt sich ein Abstecher zum Hraunfossar. Das Wasser strömt auf einer Breite von 900 Metern aus einem Lavafeld.
Von einem kleinen Parkplatz aus führt ein Weg entlang gegenüber der Abrisskante.
Auf dem Weg Richtung Snæfellsjökull begegnet man immer wieder den verschiedenen Bewohnern der Küste. Zum Beispiel Eiderenten:
Andere nehmen die Umgebung mit entschieden mehr Ruhe in sich auf:
Und natürlich gibt es auch hier Schafe, wie sie auf ganz Island frei herumlaufen. Erst im Herbst werden sie zusammengetrieben, auf ihre Besitzer sortiert und verbringen den Winter auf den Höfen:
Hier findet man auch eine kleine Kirche mit ihrem Friedhof. Vor Jahren sollte diese Kirche abgebrochen werden, weil sich der Erhalt des baufälligen Gemäuers für die wenigen Benutzer nicht mehr zu lohnen schien. Eine ältere Dame aus der Umgebung konnte sich mit diesem Gedanken gar nicht anfreunden, und als die Amtskirche auf ihrer Entscheidung bestand, übernahm sie den Wiederaufbau aus eigener Tasche.
Allerdings können Isländer in solchen Dingen sehr nachtragend sein, und so ziert heute die Tür des Hauses ein großer Knauf, auf dem übersetzt zu lesen ist: „Erbaut ohne jede Hilfe der Kirche“.
Noch ein Stück weiter, und man kommt nach Arnarstapi, einem winzigen Küstenort, bestehend aus einem kleinen Hafen und einer Handvoll Häusern.
Die Gegend hat es in sich. Auf Island gibt es fast keine Raubtiere (mit den wenigen Polarfüchsen wird in der Regel kurzer Prozess gemacht), weswegen die Wiesen von großen Populationen bodenbrütender Vögel besetzt sind. Nähert man sich einer solchen Wiese, kann man sich auf etwas gefasst machen:
Ein falscher Schritt, und Hunderte von Kampffliegern gehen zum Angriff über. Und „Angriff“ bedeutet hier auch wirklich „Angriff“: Die fliegenden Geschoße stürzen sich rudelweise auf den Kopf des Eindringlings und scheuen dabei auch vor Kollisionen nicht zurück. Die Zusammenarbeit des Schwarms ist beeindruckend. Offenbar sind diese Sturzflüge für die Tiere nicht ohne Anstrengung, sodaß ein Vogel nach jedem Angriff erst einmal wieder aufsteigt und eine Weile kreist. An seiner Stelle setzt der nächste zum Angriff an, sodaß sich das Opfer einer nichtendenden Welle von Stukas ausgesetzt findet. Diese fortgesetzten Attacken hält der Schwarm scheinbar unendlich durch.
Lässt sich der Eindringling gar nicht vertreiben, oder nähert er sich gar weiter den Brutplätzen, greifen die Tiere zu ihrer stärksten Waffe: Sie lassen Bomben fallen. Die verwendete „selbstgemachte“ Munition, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll, kann tatsächlich eine tödliche Waffe sein. Einem Raubvogel, der von einem Schwarm solchermaßen „zugesch…“ wird, verklebt das Federkleid dermaßen, daß er nicht mehr flugfähig ist. Das ist in der Regel sein Todesurteil.
Aber wir waren ja eigentlich bei der Landschaft. Bereits am Kopf der Halbinsel kommt man schließlich zur „Elfenkirche“:
Auch auf der Landseite gibt es besondere Ausblicke. Die leuchtend blauen Lupinien, die man im Sommer felderweise antrifft, stammen eigentlich aus Alaska und sind auf Island nicht indigen. Sie wurden hier erst vom Menschen angesiedelt, um die Bodenerosion zu bremsen. Das hat zwar prinzipiell auch funktioniert, allerdings verbreitet sich die Alaska-Lupinie inzwischen aggressiv über ganz Island. Die einheimische Pflanzenwelt, die großteils aus langsam wachsenden Moosen, Flechten und Kräutern besteht, wird dadurch gefährlich zurückgedrängt. Deshalb wurde inzwischen sogar an einigen Stellen damit begonnen, die Lupinien händisch wieder auszugraben.
Auf der Nordseite der Halbinsel liegt neben der Ortschaft Grundarfjörður der markante Kirkjufell, auf Isländisch etwa „Kirchberg“.
In Grundarfjörður gibt es ein Wirtshaus/Kino/Bücherei/Museum, aus Vereinfachungsgründen in einem gemeinsamen Gebäude. Das kann ungemein praktisch sein: So kann man sich ein Buch mit ins Kino nehmen, wo einem das Essen direkt vor der Leinwand serviert wird. Und wer keine Lust auf den Film hat, sieht sich währenddessen einige Artefakte aus Grundarfjörðurs Geschichte an:
Einen nicht ganz unspektakulären Wasserfall gibt es dazu auch noch:
Ganz in der Nähe liegt übrigens auch ein großes Lavafeld mit dem Namen Berserkjahraun. Der Name geht zurück auf zwei „Berserker“, großgewachsene Arbeiter, die der Isländischen Sage nach auf einem Bauernhof angestellt waren. Als einer der beiden sich in die Tochter des Bauern verliebte und um ihre Hand anhielt, stellte ihm der Bauer eine unmögliche Aufgabe: Das Paar sollte nur heiraten dürfen, wenn es ihm gelänge, eine Straße quer durch das Lavafeld zu bahnen. Der Berserker machte sich zusammen mit seinem Freund sofort an die Arbeit und tatsächlich gelang es den beiden in kürzester Zeit, die geforderte Straße anzulegen. Obwohl der Bauer von der Leistung sehr beeindruckt war, war er doch wenig begeistert von der Aussicht auf seinen künftigen Schwiegersohn. Also lud er beide Berserker nach der kräftezehrenden Arbeit zu einer entspannenden Sauna ein, wo er beide kurzerhand erschlug.
Die Straße, welche die beiden Berserker anlegten, führt heute noch durch das Lavafeld und kann frei befahren werden.
Hat man nun die Halbinsel Snæfellsnes einmal umrundet, bietet sich als Sprungbrett der Ort Stykkishólmur an. Hier lässt sich eine Fähre besteigen, die quer über die Bucht Breiðafjörður (auf Isländisch: breiter Fjord) steuert. Nach einem Zwischenstop auf der Insel Flatey betritt man mit dem anderen Ufer des Fjords zum erstenmal die Region Vestfirðir (Westfjorde).